Unstet wie das Wetter treiben wir heute durch die Gegend. Unauffällige Blockrandbebauung, bei der höchstens die betont nüchternen Schaufenstergestaltungen ins Auge fallen.
Eine sportbetonte Grundschule - ist das jetzt eine gängige Bezeichnung? Will man damit vermeiden, bei weniger sportbetonten Schülern Sorgen auszulösen, sie könnten hier fehl am Platz sein? Will man den Eindruck vermitteln, man lege zwar einen Schwerpunkt auf körperliche Betätigung, aber keine Sorge, es bliebe noch viel Raum für andere Interessengebiete und man bemühe sich, mit einem breit aufgestellten, integrativen Gesamtangebot jeden Schüler in seiner Individualität zu fördern?
Der Bär im Innenhof, seiner Figur nach eher unsportlich, scheint die Vorbeilaufenden jedenfalls um Hilfe anzuflehen.
Die ehemalige Frauenklinik Mariendorfer Weg, erbaut als Reaktion auf die hohe Säuglingssterblichkeit, besonders unter der ärmeren Bevölkerung. Jedoch nicht etwa aus humanistischen Beweggründen, sondern vielmehr aus der Sorge heraus, Deutschland könne im laufenden "Grossen Krieg" und zukünftigen Konflikten der Nachschub an Truppen und Arbeitskräften ausgehen, wie folgendes Zitat nahelegt:
"Breithüftige, kerngesunde, frohe Mütter, die ihre Kinder mit eigener Muttermilch stark machen und zu kräftigen Jünglingen und Jungfrauen ausbilden, die braucht unser Vaterland, das gegen die rings drohenden Feinde noch lange kampfgerüstet sein muss, um sich zu erhalten in dem notwendigen Daseinskampf."
(Studienrat Hermann Raydt, zit. nach Henrik Stahr: Rettet die Deutschen, Säuglingssterblichkeit und Säuglingsfürsorge in Neukölln 1907-1917; in: Der erste Schrei, Bezirkamt Neukölln, Berlin 2000, S.7, gefunden hier.)
Über Jahrzehnte wurde das Gelände erweitert und ausgebaut, dann im Lauf der 2000er Jahre wegrationalisiert und entäussert, sich selbst und dem Verfall überlassen. Und damit Anziehungspunkt für Junkies, Sprayer und urbane Fotoforscher. Erst seit kurzen zeigt sich wieder Aktivität, vor allem sichtbar durch einen neuen Zaun und den allgegenwärtigen Wachdienst. Es soll nun ernst werden mit Abriss und Sanierung, 500 neue Wohnungen sollen zunächst entstehen. Und natürlich regt sich Streit: um bezahlbaren Wohnraum, um die Angst vor Veränderungen in der Quartierstruktur. Und diese Befürchtungen werden nicht gemildert durch Aussagen des Investors wie: "Wir möchten den Bestand gern halten, können das aber nicht versprechen."(hier)
Die Bärensiedlung - benannt nach einer nicht mehr vorhandenen Bärenskulptur am gleichnamigen Brunnen, 1929 - 1931 erbaut und von einer grosszügigen, der damaligen Geisteshaltung entsprechend "Germania-Garten" benannten Grünanlage umgeben.
Über dem Tempelhofer Feld zieht ein Gewitter auf; Kitesurfer packen ihre Schirme ein, Grillprofis packen ihre Schirme aus, und junge Väter ziehen Plastikhauben über Kinderkarren. In welcher Stadt gibt es sonst so etwas? Eine Freifläche von diesen Ausmassen mitten in der Stadt, auf absehbare Zeit unversehrt dank des Einsatzes und Abstimmungsverhaltens der Anwohner.
Erste Sahne - ein Kiezkaffee mit einer guten Espressomaschine und veganen Leckereien.
In Neukölln zeigt sich erneut das Dilemma: genau wie individuelle Rucksackreisende unfreiwillig dem Massentourismus die Wege bahnen, werden Künstler, Lebenskünstler, und Menschen auf der Suche nach bezahlbaren Wohnalternativen zu Vorboten der Gentrifizierung. Und gerade in Berlin sind Makler und Immobilienverwalter mittlerweile geübt darin, solche Trends zu erkennen und darauf aufzusatteln.
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