13.12.2016

St Nicholas Ave / 145 St

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Wikipedia: 

"Manhattan ist 21,6 Kilometer lang und zwischen 1,3 und 3,7 Kilometer breit. Gemäß dem United States Census Bureau hat Manhattan eine Fläche von 87,5 km², davon sind 59,5 km² Landfläche."

Das spielt für den Zufall natürlich keine Rolle. Wir landen trotzdem in genau dem gleichen Viertel wie bei unserem letzen Spaziergang hier, nur wenige Strassen von unserem damaligen Ausgangspunkt entfernt. Das macht aber nichts, denn Harlem ist ein schöner Stadtteil, und wie wir schon in Rummelsburg oder der Gropiusstadt gelernt haben, es gibt ja überall etwas zu entdecken.

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Dieses neoromanisch-romantische Stadtschloss wurde von James Bailey erbaut, Mitbegründer von Barnum & Baileys weltberühmtem Zirkus, der "Greatest Show on Earth". Später in Besitz eines deutschen Röntgenarztes, dann ein Beerdigungsinstitut. Während der Finanzkrise 2008 zum Verkauf angeboten, einige Jahre leerstehend, und erst seit kurzem wieder in Privatbesitz.

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Viele Strassenecken kommen uns seltsam vertraut vor, wie die verlassenen Kulissen von Filmen, die wir längst vergessen haben. Was manchmal auch kein Zufall ist, denn sie waren das tatsächlich. Das Haus hier zum Beispiel war der Drehort einer unserer Lieblingsfilme.

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Hier sind Gene Hackman und Anjelica Houston die Stufen hinuntergeeilt, und Gwyneth Paltrow rauchte Zigaretten auf dem Dach… in Wes Andersons "The Royal Tenenbaums".

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"Von Herzen gebacken" — das müssen wir probieren. Mit kalten Fingern essen wir Mini - Pumpkin Pie aus der Papiertüte. Lecker.

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Über das Hamilton - Theater haben wir schon im Vorfeld gelesen. Ein Varietétheater, zu Beginn der Stummfilm - Ära gebaut, die Fassade geprägt von freizügigen Giebelträgerinnen. Überraschender Weise war eins der Rolltore hoch gefahren, und ein zögerlicher Druck gegen die dahinter liegende Glastür gewährte uns tatsächlich Einlass...

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Im Inneren trafen wir auf einen Makler mit seinen potentiellen Interessenten, denen es relativ egal war, dass wir uns auch umsahen. So konnten wir zumindest das Lobbygebäude besichtigen — der getrennt gelegene, offenbar grossartige Theatersaal blieb uns leider unzugänglich.

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Auch das Hamilton - Theater hat eine wechselhafte Geschichte: zunächst verdrängte der Kinofilm das Varieté; als sich auch das nicht mehr lohnte, wurde es an eine Kirchengemeinschaft verkauft. Dann wurde es zu einer Sportarena, einem Boxring, einer Disco, und schliesslich zum Warenlager eines Getränkehandels. 

Und wieder die Frage, wie man mit solchen historischen Orten umgehen sollte. Ein Gebäude, das davon erzählen kann, wie frühere Generationen gelebt und sich unterhalten haben, das eine Geschichte über die Metamorphosen der Stadt erzählen kann — es zu erhalten ist geboten, aber für eine praktische Nutzung fehlen Finanzen und Phantasie. Und auch hier ist die potentielle Idee nicht originell: umwandeln in Gewerbe oder Luxusapartments.

Ein Zitat aus dem oben genannten Artikel: "It might become a big box store or a... well, it is hard to imagine what might pay the taxes, let alone the rent... As with many ruins, the Hamilton will probably never look better than it does now."

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Wir begeben uns an den nächsten potentiellen Drehort, diesmal vielleicht für einen Wong Kar-Wai Film.

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Mit dem Ende unseres Spaziergangs schliesst sich ein Kreis: diese kleine Bühne, im letzten Sommer dicht bevölkert, ist heute verlassen.

 

06.10.2016

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Das Thema, das uns diesmal begleitet, ist die Suche. Jeder Spaziergang ist eine Suche mit ungewissem Ausgang, und unterwegs begegnen uns immer wieder neue Optionen. Ein neu erwachter Quartiergeist verspricht Gemein-
schaft. Ein heisser Kaffee verheißt Glücksgefühl. Und selbst Antworten auf die ganz grundsätzlichen Fragen werden dem geboten, der genau hinschaut. 

 

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Direkt vor der S-Bahn finden wir etwas, das innerhalb des Rings schon Seltenheitswert hat: ein Flohmarkt, nicht dominiert von Profis, sondern von nachbarschaftlichem Krempel.

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Das Konzept für die Gropiusstadt sah ursprünglich ganz anders aus: Walter Gropius plante kreisrunde, flache Bauten mit höchstens 5 Stockwerken, dazwischen weite Grünflächen, Einfamilienhäuser und Geschäftszentren. Dann schränkte der Bau der Mauer das verfügbare Gelände massiv ein und der Senat wollte plötzlich 19.000 Wohnungen statt 14.500, und so blieb keine andere Möglichkeit, als in die Höhe zu bauen. Gropius wehrte sich mit einem Brief an den Senat:„Einheit in der Vielfalt ist das erstrebenswerte Ziel, nicht langweilige Monotonie." Doch er blieb mit dem Projekt verbunden. Er starb 1969, noch während der Bauarbeiten. Drei Jahre später wurde das Quartier offiziell nach ihm benannt.

Auch wenn es im Rückblick ironisch klingt, dass Gropius sich dieser zweifelhaften Ehre nicht mehr erwehren
konnte — in den 70er Jahren herrschte noch eine von der Realität unerprobte Utopie des sozialen Wohnungsbaus. Die Stadtplaner sahen die Zukunft im Plattenbau. Altbauten waren unbeliebt, die modernen Wohnungen verhiessen höhere Lebensqualität. Das sich dieses Versprechen nicht einlösen liess, konnte man wenige Jahre später bei Christiane F. nachlesen:

"Gropiusstadt, das sind Hochhäuser für 45.000 Menschen, dazwischen Rasen und Einkaufszentren. Von weitem sah alles neu und sehr gepflegt aus. Doch wenn man zwischen den Hochhäusern war, stank es überall nach Pisse und Kacke. Das kam von den vielen Hunden und den vielen Kindern, die in Gropiusstadt leben. Am meisten stank es im Treppenhaus. (…)

Man lernte einfach automatisch zu tun, was verboten war. Verboten zum Beispiel war, irgend etwas zu spielen, was Spaß machte. Es war überhaupt eigentlich alles verboten. An jeder Ecke steht ein Schild in der Gropiusstadt. Die sogenannten Parkanlagen zwischen den Hochhäusern, das sind Schilderparks."

 

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Der einzige Freiraum für Christiane und ihre Freunde war das Niemandsland entlang des Mauerstreifens. Das dahinter liegende Brandenburger Land, für uns nur ein paar Schritte über den Mauerweg entfernt, blieb für sie unerreichbar.

"Der schönste [Spielplatz] war an der Mauer, die ja nicht weit von Gropiusstadt ist. Da gab es einen Streifen, den nannten wir Wäldchen oder Niemandsland. Der war kaum 20 Meter breit und wenigstens anderthalb Kilometer lang. Bäume, Büsche, Gras so hoch wie wir, alte Bretter, Wasserlöcher."

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Und hier noch das letztendliche Resultat unserer heutigen Suche.