Und wieder einmal geht unser Spaziergang in ein uns bisher unbekanntes Viertel - nach Zehlendorf, und auch hier machten wir einige (für uns) überraschende Entdeckungen, weshalb wir diesen Eintrag wieder aufteilen.
1. der Botanische Garten.
Eigentlich hatten wir ja gar keinen Hunger, aber eine Küche wie diese ist doch zumindest einen Versuch wert. Und wir wurden auch nicht enttäuscht; es war eine wirklich sehr vernünftige Kartoffelsuppe - ohne Schnickschnack, ohne Instantbrühe, ohne Überraschungen.
Ich erinnere mich – als ich klein war, kam es mir wie eine Bestrafung vor, den botanischen Garten zu besuchen. Was hat es für einen Zweck, in einen Zoo zu gehen, in dem es keine Tiere gibt? Und wenn doch mal Tiere da waren, dann allerhöchstens Vögel; und Vögel sind, bekanntlich, das Zweitlangweiligste nach Pflanzen.
Jetzt geht es mir anders. Spätestens seit wir Tomaten auf unserer Fensterbank ziehen, finde ich diese Gewächse faszinierend mit ihren seltsamen Überlebensstrategien, wo die Regel zu gelten scheint: je absurder die Farben, Formen und Gerüche, desto grösser der evolutionäre Vorteil. Ausserdem diese latent hinterlistige, scheinbare Reglosigkeit – betrachtet man eine Pflanze beiläufig, erscheint sie unveränderlich; kommt man aber morgens in die Küche, ist sie plötzlich über Nacht um 15 cm gewachsen…
Willkommen also in der Welt der Nacktsamer und Korkwarzen, der Schwammgurken, Würgefeigen und Pestkakteen, des Känguru– und des Leberwurstbaums, sowie der hochsukkulenten Euphorbien.
Auf unseren Spaziergängen begegnen wir immer wieder diesen irgendwie nebensächlichen Superlativen. Alles, was sich hervorheben lässt, wird hervorgehoben. Einfachen Tatsachen wird so zu Bedeutung verholfen. Der älteste Tempel der Stadt, der dickste Baum, der längste Zaun, die grünste Gartenkolonie.
Heute gibt es die Superlative gleich gestaffelt: im Zentrum des grössten botanischen Gartens Deutschlands, mit 22.000 Pflanzenarten der artenreichste Park Europas, liegt das grösste freitragende Gewächshaus der Welt.
Wenn ich aufgefordert würde, den Begriff 'Deutschland' für jemanden ohne jede Vorkenntnis zu definieren, wäre dieses Foto meine Antwort. Das ist nicht einmal ironisch gemeint; der Gedanke erwärmt mir das Herz, dass jeden ersten Dienstag im Monat ein paar (zumindest meiner Vorstellung nach) ältere Herren im Vereinslokal "Lindengarten" zusammenkommen, um sich bei Bier und Schnaps über ihre Kakteenfreundschaft auszutauschen.
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