24.03.2015

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Zwei Querflötistinnen liefern sich ein musikalisches Duell. Der Kameramann schaut kurz auf, murmelt ein paar Worte auf französisch, und das Spiel wird unterbrochen. Eine der Flötistinnen wendet sich zu uns um: "Entschuldigung, Sie sind im Bild."

Der ehemalige Ringlokschuppen Heinersdorf liegt neben der S-Bahnstrecke wie ein gigantischer Topfkuchen. Und weil es Sonntagnachmittag ist und wir in Berlin sind, geht es auf dem Gelände zu wie auf dem Jahrmarkt. Neben den beiden Flötistinnen suchen Modelle in Miedern oder gleich halbnackt nach fotogenen Ecken, draussen baut sich eine Band für einen Videodreh auf, dazu versprengte Spaziergänger wie wir, da muss man ständig aufpassen, niemandem vor die Linse zu laufen.

 

Heinersdorf 24

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Vor einigen Jahren hat ein Investor das gesamte Areal gekauft, und in Aussicht gestellt, die Gebäude zumindest zum Teil zu sanieren – allerdings nur unter der Bedingung, dass der Stadtrat seinem Gesamtkonzept zustimmt, dass nebenbei auch noch ein Möbelhaus und ein 30.000 m² grosses Einkaufszentrum umfasst. Hier tut sich der Rat mit Blick auf die Pankower Einzelhändler schwer. Ausserdem überkommt einen der Verdacht, dass dem Investor mehr an dem angrenzenden Autobahnzubringer und dem S-Bahn-Anschluss gelegen ist als am Erhalt des Areals – auf der Webseite des Projekts wird dieses wunderbare Ruinenensemble immerhin als "nicht hinzunehmender Schandfleck" bezeichnet. So steht derzeit eine Pattsituation; günstig für alle, die auf der Suche nach einem passenden Rahmen für ihr nächstes Kurzfilmprojekt sind, aber weniger ideal für den langfristigen Erhalt der Gebäude. 

 

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Heinersdorf 10

 

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Moschee 01

Als 2006 der Neubau der Ahmaddiya - Moschee beschlossen wurde, war die Aufregung in Heinersdorf zunächst gross; es war der erste Moscheebau im ehemaligen Ostberlin, und dazu in einem Viertel, dessen praktizierende Moslems weniger als ein Prozent der Bevölkerung ausmachen. Ausserdem nutzten rechte Demagogen die Gelegenheit für ihre eigenen Ziele aus. Es kam zu tumultartigen Szenen bei Bürgerversammlungen und Übergriffen auf der Baustelle. All das scheint sich jetzt beruhigt zu haben, auch Dank der Offenheit und dem offensichtlichen Integrationswillen der Gemeinde, ihrem Leitmotiv folgend – "Liebe für alle, Hass für keinen."

 

Moschee 03

Die Moschee wurde von Spendengeldern der Frauen der internationalen Gemeinde finanziert. Deshalb beten hier auch, anders als allgemein üblich, die Frauen im Kuppelsaal im ersten Stock und die Männer im Erdgeschoss.

 

Moschee 05

Moschee 04

Die Ahmaddiya-Gemeinschaft wird in einigen muslimischen Ländern verfolgt, weil sie die Ansicht vertritt, es habe nach Mohammed noch einen weiteren Propheten gegeben, eben den Gründer der Glaubensrichtung. Offiziell gilt sie als eine "Sondergemeinschaft" des Islam, der Verfassungsschutz stuft sie "weder als extremistisch noch gewalttätig“, sondern als eher friedlich und unauffällig ein. An anderer Stelle wird aber auch (in wissenschaftlich umstrittenen Texten) von sektiererischen und verdeckt fundamentalistischen Tendenzen gesprochen.

Wir treffen auf dem Gelände einem jungen Mann mit seinem kleinen Sohn, der sich spontan viel Zeit nimmt uns alles zu zeigen und unsere Fragen ausführlich beantwortet – während sein Kleiner eine wahrhaft engelsgleiche Geduld beweist und nur ganz gelegentlich an Papas Hosenbeinen zieht.

 

Moschee 02

 

Heinersdorf 22

Heinersdorf 02

Dieses Gebäude war ursprünglich als Rathaus und Wasserturm für Heinersdorf konzipiert. Dummerweise brach vor Fertigstellung des Turms der erste Weltkrieg aus und danach erübrigte sich die Nutzung als Rathaus, da Heinersdorf inzwischen eingemeindet worden war. Auch der Wasserturm war nicht mehr wirklich vonnöten, weil mittlerweile ein unterirdisches Rohrleitungssystem existierte. Also blieb er bis auf Zwischennutzungen als Flakturm, Schule und Flugleitstelle unvollendet. Ein weiteres Baudenkmal, mit dem keiner so richtig was anzufangen weiss.

 

Wasserturm

Heinersdorf 04

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