Je mehr Spaziergänge wir machen, desto öfter ergeben sich Querverbindungen - bestimmte Namen tauchen immer wieder auf, Siedlungsstrukturen, die uns bekannt vorkommen, Architekturstile, die wir schon des öfteren gesehen haben… man fängt an, die Stadt anders wahrzunehmen, und hin und wieder stellt sich das Gefühl ein, dass es eine tiefere Ordnung gibt, die unter dem Chaos und den Zufälligkeiten des alltäglichen Stadtlebens liegt.Das Los schickt uns mal wieder in den Nordwesten. Wir steigen an einer U-Bahnstation aus, die schon im Namen und der eleganten Schrifttype auf ihre Wurzeln als klassischer Industriestandort verweist.
Die Borsigwerke sind, wie wir bald herausfinden, eine ehemalige Dampfmaschinen- und Lokomotivenfabrik, mit einem auffälligen Bürogebäude im Zentrum - dem Borsigturm. Wegen Platzmangels auf dem Firmengelände wurde eben einfach in die Höhe gebaut, und so entstand hier 1922 das erste Hochhaus Berlins. Verantwortlich war ein Architekt namens Eugen Schmohl, dessen Arbeit wir auch hier schon einmal begegnet sind.
Der "Gare Française Berlin-Tegel", der ehemalige Bahnhof der französischen Streitkräfte. Die Bahnhofshalle wurde 1947 erbaut, um die französischen Soldaten ohne Umsteigen zwischen den Kasernen in Berlin und Strassburg transportieren zu können. Heute gehört er dem nebenan liegenden Seniorenheim.
Plädoyer für den Erhalt des umgekehrten Deppenapostroph’s.
Wieder eine Siedlung aus der Zeit der utopistischen Sozialreformer und Stadtplaner, auf der Suche nach neuen Formen des Zusammenlebens und gesellschaftlicher Neuordnung; schon die Namen zeugen vom Optimismus ihrer Gründer: "Obstbausiedlung Eden", "Gartenstadt Ideal", "Siedlung Heimland", oder eben die "Freie Scholle". Auch hier war Bruno Taut mit einigen Gebäuden beteiligt. Gründer war Gustav Lilienthal - Bruder des geflügelten nackten Mannes. Damals lag die Siedlung noch weit ausserhalb der Stadt auf dem freien Land, ideal für "pflastermüde Städter". Noch heute bezeichnen die Bewohner sich selbst als "Schollaner".
Leider nur Möchtegern - Pfifferlinge.
Das Schloss Tegel, früher im Besitz der Familie Humboldt, mit einer von Schinkel gestalteten Fassade, macht es uns nicht leicht. Wir wissen nicht so recht, wo wir hin dürfen, einerseits ist der Park frei zugänglich, andererseits befindet sich das ganze Gelände in Privatbesitz. Irgendwo hier soll laut Google Maps ausserdem die älteste Eiche Berlins stehen. Wir machen uns also auf die Suche - für Superlative sind wir ja immer zu haben.
Das muss sie wohl sein - schliesslich sind auch andere Besucher der Meinung, dass dieses Gewächs ein Foto wert ist. Jetzt müssen wir nur noch den Weg aus dem Park heraus finden.
Das erweist sich als gar nicht so einfach. Nach mehreren Elektrozäunen mit zum Glück friedlichen Weidebewohnern müssen wir noch einen gusseisernen Gitterzaun überklettern…
…und landen schliesslich direkt an der eigentlichenältesten Eiche, der "dicken Marie", wie sie im Volksmund heisst.
Dicke Marie. Nun ja. Nach der "schwangeren Auster", dem "Telespargel" und dem "Bierpinsel" kann man dem Volksmund auch mal einen uninspirierten Tag zugestehen.
Das letzte Wegstück liegt am Tegeler See, der bei einbrechender Dämmerung und trotz aufkommender Kälte einen fast Ferienort-artigen Charakter hat.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen